„The Hollow Zone“ II – Mythos, Preis und emotionale Leere
„The Hollow Zone“ im Weinmarkt – Mythos, Preis und die emotionale Leere der Mitte
In den letzten Jahren hat sich die Struktur des Weinmarkts weiter polarisiert. Zwischen den stabilen Polen – Alltagsweinen unter 50 € und Prestige-Weinen über 100 € – entsteht eine Zone wachsender Unsicherheit: die „Hollow Zone“. Sie steht für Weine, die technisch stark, aber emotional schwach sind – Produkte, deren Preis keine Geschichte trägt.
Die Dynamik der Extreme
- Oben: Luxusweine wie Krug oder DRC rechtfertigen Preissteigerungen durch Mythos, Tradition und emotionale Kohärenz. Ihre Preise wirken mythisch, nicht mechanisch.
- Unten: Alltagsweine liefern Verlässlichkeit. Käufer handeln nach dem Prinzip: „Ich weiß, was ich bekomme, es enttäuscht nie.“ Hier zählt Vertrauen, nicht Transformation.
Die Mitte – 50 € bis 100 € – bleibt schwach, weil sie weder Sicherheit noch Erhabenheit vermittelt. Ohne symbolischen Überschuss verliert die handwerkliche Qualität ihren Zug. Das ist die strukturelle emotionale Leere der „Hollow Zone“.
Mechanische vs. Mythische Preissteigerung
Preissteigerungen können zwei Formen annehmen:
- Mechanisch: Kosten- oder Nachfrage-getrieben, rational, aber emotional leer. Beispiel: Agrapart „Vénus“ von 150 € auf 250 € – technisch gerechtfertigt, aber ohne erweiterte symbolische Aura.
- Mythisch: Narrativ getragen, emotional akzeptiert. Beispiel: Krug, dessen Anstieg von 150 € auf 250 € das Vertrauen in die Marke vertieft, statt Widerstand zu erzeugen.
Emotionale Ökonomie
McKinsey zeigte mit dem „Halo-Effect“-Modell, wie Promotions indirekte Käufe auslösen. Übertragen auf den Weinmarkt ist das Äquivalent der emotionale Halo: die Fähigkeit einer Marke, Begehrlichkeit über den Preis hinaus zu erzeugen. Wenn dieser emotionale Halo fehlt, bleibt nur Technik – und Technik allein verkauft nicht.
Ein Krug-Preissteigerung wird als Bestätigung des Mythos wahrgenommen. Eine vergleichbare Steigerung bei Agrapart wirkt mechanisch, weil das kommunikative und emotionale Echo fehlt. Die Käufer spüren: Der Preis erklärt sich nicht aus Bedeutung, sondern aus Kalkulation.
Strategische Konsequenz
Weine zwischen 50 € und 100 € können nur bestehen, wenn sie gleichzeitig Substanz und Symbolik aufbauen. Qualität muss eine Geschichte tragen, und der Preis muss sich als natürlich anfühlen – nicht als Forderung.
- Unter 50 €: Fokus auf Verlässlichkeit und Entlastung – Weine, die man gern wieder kauft.
- Über 100 €: Fokus auf Mythos, Ritual, Zeit – Weine, die man erleben will.
- Zwischen 50 € und 100 €: neue narrative Modelle nötig – Kooperationen, Terroir-Geschichten, limitierte Mikro-Cuvées.
Die „Hollow Zone“ ist daher kein Preisproblem, sondern ein Vertrauensdefizit. Nur wer Qualität mit Gefühl koppelt, kann diese Mitte wieder mit Leben füllen.