Legacy Media in der Weinkritik
Legacy Media in der Weinkritik: Die Rolle der Stilignoranz
Was ist Legacy Media?
Legacy Media bezeichnet etablierte traditionelle Medienformen, wie Zeitungen, Magazine und Fernsehsender, die vor der Digitalisierung dominierend waren. Diese Medien sind oftmals tief in den traditionellen Strukturen verankert und bieten daher eine Perspektive, die stark von historischen Normen und Werten geprägt ist, wie etwa der Betonung von Lagerfähigkeit und der Vorstellung, dass nur bestimmte Regionen wie Bordeaux oder Burgund die besten Weine hervorbringen können. In der Weinkritik haben Legacy-Medien eine maßgebliche Rolle dabei gespielt, wie Wein bewertet und wahrgenommen wird, indem sie sich auf bewährte Regionen und altbewährte Stile konzentrieren.
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Die Weinkritik wurde lange von einigen wenigen einflussreichen Stimmen dominiert, die durch Legacy Media in die öffentliche Wahrnehmung traten. Diese Kritiker*innen haben Weine oftmals anhand veralteter Standards bewertet, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben. Dabei stehen die Lagerfähigkeit, die Bekanntheit der Region und traditionelle Herstellungsmethoden im Vordergrund. Die Vermarktung und Bewertung über Legacy Media hat dazu geführt, dass bestimmte Regionen wie Bordeaux oder Burgund eine Überrepräsentation in der Weinkritik erhielten, was den Zugang für neue Stile und experimentelle Weine, wie zum Beispiel Naturweine aus dem Jura oder biodynamische Weine aus Regionen wie dem Beaujolais, erheblich erschwerte.
Mehr über die Analyse der Vinous Top 100 Weine des Jahres erfahren Sie hier.Beispiele aus der Champagnerkritik
Ein interessanter Aspekt, der die Auswirkungen von Stilignoranz verdeutlicht, zeigt sich in der Champagnerkritik. Wahrscheinlich der beste Kritiker für Champagner, Gerhard Eichelmann, listet David Léclapart und Pascal Doquet als Top-Produzenten mit 5 Sternen. Beide Produzenten werden jedoch von den führenden Legacy-Weinkritikjournalen wie Vinous oder dem Wine Advocate nicht rezensiert. Bemerkenswert ist hier, dass diese Produzenten trotz fehlender Unterstützung durch solche einflussreichen Journale großen Erfolg haben, während von diesen Journalen protegierte Produzenten wie zum Beispiel einige große Häuser in der Champagne oft nicht die gleiche Resonanz bei den Konsument*innen finden.
Weitere Herausforderungen der modernen Weinkritik
Neben finanziellen Einschränkungen, die vielen Weintrinker*innen den Zugang zu den besten Weinen verwehren, interessieren sich heutige Konsument*innen zunehmend für andere Faktoren wie Biodiversität, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Kritiker*innen bleiben jedoch oft gegenüber diesen Themen blind. Es scheint, dass Weine, die hohe Punktzahlen erhalten, oft so entwickelt werden, dass sie den Erwartungen der Punktbewertung entsprechen – etwa intensive Konzentration, hoher Alkoholgehalt und starke Extraktion – anstatt auf Trinkbarkeit, finanzielle Erschwinglichkeit und Eignung für die Kombination mit Speisen ausgelegt zu sein.
Konsumentenbedürfnisse in der modernen Weinwelt
Heutige Weintrinker*innen haben zunehmend andere Erwartungen an Wein als frühere Generationen. Neben dem Geschmack und der Qualität des Weins spielen Faktoren wie Nachhaltigkeit, Transparenz in der Herstellung und Biodiversität eine wichtige Rolle. Verbraucher*innen interessieren sich verstärkt für die Geschichten hinter dem Wein, die Menschen, die ihn herstellen, und die Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt. Sie bevorzugen Weine, die mit einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen verbunden sind und einen Beitrag zur lokalen Gemeinschaft leisten. Kritiker*innen, die diese veränderten Bedürfnisse in ihre Bewertungen einfließen lassen, wie etwa Gerhard Eichelmann, der zunehmend auf nachhaltige und biodynamische Praktiken eingeht, können eine stärkere Verbindung zu den Konsument*innen schaffen und ihnen helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen.
Wie könnten Kritiker nachhaltige Weine bewerten?
Um nachhaltige Weine angemessen zu bewerten, sollten Kritiker*innen neue Kriterien berücksichtigen, die über die klassischen Bewertungsmaßstäbe hinausgehen. Faktoren wie Biodiversität im Weinberg, Umweltverträglichkeit der Anbaumethoden, Reduktion von Chemikalien und die Förderung lokaler Ökosysteme könnten in die Bewertung einfließen. Zudem sollte der Einsatz erneuerbarer Energien und die Minimierung des CO2-Fußabdrucks ebenfalls gewürdigt werden. Solche zusätzlichen Kriterien würden es ermöglichen, die Nachhaltigkeitsbemühungen von Winzer*innen sichtbar zu machen und Konsument*innen besser über die ökologischen Aspekte der Weine zu informieren.
Weitere Beispiele für Stilignoranz
Ein weiteres Beispiel für Stilignoranz zeigt sich in der Ignoranz gegenüber Naturweinen, die häufig aufgrund ihrer unkonventionellen Herstellungsverfahren als "fehlerhaft" oder "inkonsistent" abgetan werden. Obwohl Naturweine ein wachsendes Publikum finden, das ihre Authentizität und Nähe zur Natur schätzt, werden sie von vielen traditionellen Kritiker*innen oft abgelehnt, da sie nicht den standardisierten Qualitätskriterien entsprechen.
Ein anderes Beispiel sind Weine aus weniger bekannten Regionen wie dem Jura oder Beaujolais. Diese Regionen produzieren zunehmend qualitativ hochwertige Weine, die experimentelle Techniken und innovative Stile verwenden. Dennoch bleibt ihre Anerkennung in der etablierten Weinkritik gering, da Kritiker*innen weiterhin auf die großen, bekannten Weinregionen wie Bordeaux oder Burgund fokussiert sind.
Auch orange Weine oder Amphorenweine erfahren häufig Stilignoranz. Diese Weine, die auf uralte Techniken zurückgreifen und oft eine andere Geschmacksstruktur aufweisen, passen nicht in die traditionellen Bewertungskategorien. Kritiker*innen neigen dazu, sie mit den Maßstäben für Weiß- oder Rotweine zu bewerten, was der Einzigartigkeit dieser Weine nicht gerecht wird.
Fazit
Die moderne Weinkritik steht vor der Herausforderung, sich von den traditionellen Denkweisen zu lösen, die durch Legacy Media geprägt wurden, um eine größere Vielfalt und Authentizität abzubilden. Es ist notwendig, die stilistischen Barrieren zu durchbrechen, die durch die historischen Einflüsse entstanden sind, um die gesamte Breite der Weinwelt würdigen zu können.