
Brut Nature Champagner – Mode, Missverständnis oder wahre Transparenz?
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Ein Gespräch zwischen Susi Beran und Donald Pennet
Was bedeutet Brut Nature wirklich?
Susi Beran:
Alle reden von Brut Nature, „null Dosage“ gilt als Reinheitsgebot. Ist das wirklich die reinste Form des Champagners?
Donald Pennet:
Nein. Viele verwechseln fehlende Dosage mit „trocken“. Das stimmt nur oberflächlich. In warmen Jahrgängen bringt die Natur so viel Reife, dass Brut Nature plötzlich weich und rund wirkt – das Gegenteil von dem, was man eigentlich erwartet.
Ist „Zero Dosage“ gleich „Terroir pur“?
Susi Beran:
Die Marketing-Parole lautet: keine Dosage = reiner Terroir-Ausdruck. Unsinn?
Donald Pennet:
Kompletter Unsinn. Terroir zeigt sich nicht im Weglassen von Zucker, sondern in Balance. Ein Gramm Dosage kann wirken wie eine Prise Salz – es bringt Spannung ins Glas. Ohne dieses Feintuning schmecken viele Lagen gleich, egal ob Mesnil, Montgueux oder Ay.
Macht Brut Nature die Champagner homogener?
Susi Beran:
Du sagst also, Brut Nature verwischt Unterschiede?
Donald Pennet:
Genau. Ich habe Dutzende probiert, am Ende schmecken sie austauschbar: säuerlich, tonisch, kantig. Null Dosage + minimale Sulfite = fragile Weine, die beim ersten Transport oder nach ein paar Jahren Lagerung zusammenfallen.
Ist Brut Nature überhaupt lagerfähig?
Susi Beran:
Viele Sammler hoffen auf Reifung. Täuschung?
Donald Pennet:
Meist ja. Brut Nature lebt jung, frisch disgorgiert, dann hat er Spannung. Aber zehn Jahre später? Vergiss es. Maillard-Effekt, Tiefe, Komplexität – das braucht Zeit, Dosage und oft auch Schwefel. Wer Brut Nature lagert, wird ernüchtert aufwachen.
Warum sind Sommeliers so fixiert auf Brut Nature?
Susi Beran:
Kaum eine Weinkarte ohne Brut Nature. Ist das echte Überzeugung oder eher Pose?
Donald Pennet:
Es ist Identitätssignal: „Ich bin avantgardistisch, kompromisslos, natürlich.“ Aber viele verstehen Champagne schlicht nicht. Es ist komplexer als ein Modebegriff. Ich vergleiche das mit der Mosel – dort lacht jeder, der glaubt, nach einer Woche Verkostung alles verstanden zu haben. Bei Champagne ist es genauso: ohne Jahre der Vertiefung keine echte Expertise.
Zyklus oder Sackgasse?
Susi Beran:
Ist Brut Nature also eine Sackgasse?
Donald Pennet:
Nein, ein Zyklus. Im Moment dominiert die Null-Dosage-Mode. Aber die Ernüchterung kommt: geringe Lagerfähigkeit, eingeschränkte Food-Pairings, austauschbare Geschmäcker. Dann wird man wieder erkennen, dass Dosage nicht der Feind, sondern der Schlüssel zur Wahrheit im Glas ist.
Fazit von Donald Pennet
Brut Nature ist kein Dogma, sondern ein Werkzeug – sinnvoll in jungen, frischen Champagnern, gefährlich als allgemeines Allheilmittel. Wer Champagner ernst nimmt, darf sich nicht von Modewellen täuschen lassen, sondern muss das Spannungsfeld zwischen Terroir, Jahrgang, Dosage und Reife verstehen.