Disputio II – Sprachliche Ambiguität und Meta-Influencing

Disputio II: Sprachliche Ambiguität und Meta-Influencing im Strategiediskurs

In strategischen Texten wird oft eine Sprache verwendet, die zugleich präzise und unbestimmt wirkt. Begriffe wie „Langfristigkeit“, „Wertschöpfung“ oder „Verantwortung“ scheinen eindeutig, tragen aber in sich doppelte Bedeutungen. Diese Ambiguität erlaubt, dass dieselbe Aussage sowohl als ethischer Appell wie auch als ökonomische Steuerung gelesen werden kann.

Ambiguität als Methode

In derridascher Lesart ist Sprache niemals rein referentiell, sondern differenziell: sie lebt von der Verschiebung zwischen dem Gesagten und dem, was nicht gesagt wird. Wenn der Begriff „Langfristigkeit“ erscheint, ruft er sein Gegenteil – die Kurzfristigkeit – immer schon mit auf. Diese Gleichzeitigkeit der Gegensätze schafft den Raum für Deutung und damit für Steuerung.

Begriffe im Fokus

  • Langfristigkeit – wirkt moralisch stabil, bezeichnet aber oft den Wunsch nach Marktkontinuität.
  • Wertschöpfung – doppelt codiert: ökonomisch messbar und zugleich narrativ aufgeladen durch Sinnproduktion.
  • Verantwortung – ruft individuelle Ethik auf, dient aber häufig der Stabilisierung institutioneller Erwartungen.

Meta-Influencing

Unter Meta-Influencing lässt sich die bewusste Rahmung von Sprache verstehen, um nicht den Inhalt, sondern die Wahrnehmung der Diskursebene zu steuern. Wenn ein strategischer Text Ambiguität kultiviert, erzeugt er nicht Kontrolle über Bedeutung, sondern über die Position des Lesers: wer sich auf die moralische Lesart einlässt, übernimmt implizit das System, das sie voraussetzt.

Graphische Darstellung – Sprachliche Ambiguität als Steuerungsebene
Interpretationshöhe Zeit / Diskursverlauf Moralische Lesart Systemische Lesart Ethischer Diskurs Struktureller Diskurs

Schlussbetrachtung

Ambiguität ist keine Täuschung, sondern eine Funktion von Sprache. Doch in wirtschaftsstrategischen Kontexten kann sie als Werkzeug der Rahmung dienen: nicht um zu lügen, sondern um bestimmte Lesarten wahrscheinlicher zu machen. In diesem Sinne ist Meta-Influencing ein diskursives Instrument, das Bedeutungsräume verschiebt, ohne offen zu intervenieren.

Siehe auch die Disputio: Autonomie des CEO im System – Struktur trifft Kontext, in der die systemische Dimension dieser Sprache erstmals analysiert wird.